Fasching gegen Fastenzeit

Pieter Bruegel der Ältere ist bekannt für seine komplexen, detailreichen Gemälde, die den Alltag und das Leben seiner Zeit einfangen. Eines dieser Werke, Der Kampf zwischen Karneval und Fasten, das 1559 entstanden ist, nimmt uns mit in eine Welt voller Symbole, Widersprüche und menschlicher Zwänge.

Im Kunsthistorischen Museum Wien hängt dieses Meisterwerk als Teil der größten Sammlung Bruegels weltweit, und Daniel Uchtmann, Kunsthistoriker und Kunstvermittler, bringt uns näher, was auf den ersten Blick wie ein einfaches Genrebild wirken mag: ein Marktplatz voller Menschen, auf den ersten Blick ein buntes Treiben. Doch wie immer bei Bruegel geht es um weit mehr. Das Bild zeigt den symbolischen Kampf zwischen zwei gegensätzlichen Lebensprinzipien – der ausufernden Völlerei des Faschings und der Entsagung der Fastenzeit.

Links sitzt der Karnevalsprinz auf einem dicken Fass, seine Waffen sind Spieße mit Fleisch und Wurst, ein Bild der Maßlosigkeit. Er verkörpert die Freude am Überfluss und die Unbeschwertheit der Faschingszeit, die zu seiner Zeit den Übergang zum neuen Jahr markierte. Rechts dagegen die magere Fastenzeit, symbolisiert durch eine asketische Gestalt, die auf einem bescheidenen Wagen sitzt und Heringe sowie Brot als Waffen trägt – Symbole für das Maß und die Mäßigung. Diese beiden Figuren stehen sich gegenüber wie Ritter in einem Turnier, doch der Sieg ist bereits absehbar: Die Fastenzeit wird immer gewinnen, denn auf Fasching folgt unvermeidlich der Aschermittwoch.

Bruegel überlässt nichts dem Zufall. Jedes Detail ist ein Kommentar zur menschlichen Natur: Auf der linken Seite, in den Szenen des Faschings, sehen wir Exzesse, Trunkenheit und obszöne Gesten – ein Schwein frisst Kot, ein Betrunkener schläft auf einem Fass. Doch all das ist kein bloßer Scherz, sondern eine tiefgründige Betrachtung der Sündenhaftigkeit, die in Zeiten des Überflusses dominiert. Auf der rechten Seite, im Zeichen der Fastenzeit, wird das Leben strenger, geordneter. Die Menschen verlassen die Kirche mit Aschekreuzen auf der Stirn, als Zeichen der Buße und Läuterung.

 

Das Bild wirkt wie eine Art Enzyklopädie, ein „sichtbares Wörterbuch“, wie Uchtmann es nennt, in dem Bruegel gleichzeitig das Komische und das Bittere des menschlichen Daseins einfängt. Doch hinter dem ganzen Getümmel deutet Bruegel auf etwas Tiefgründigeres hin: Ein Paar wird von einem Narren aus dem Kreislauf des Lebens herausgeführt. Der Narr, gekleidet in bunter Kleidung mit Eselsohren, trägt eine Fackel – ein Symbol der Weisheit. Er ist derjenige, der die Wahrheit sagen darf, und in diesem Fall führt er das Paar vielleicht zu einer höheren Erkenntnis oder aus der endlosen Wiederholung der menschlichen Schwächen heraus.

Bruegels Werke zeigen die Menschheit oft als Gefangene ihrer eigenen Natur, unterworfen den biologischen und gesellschaftlichen Zwängen. Doch vielleicht, so deutet das Bild an, gibt es einen Weg hinaus – einen Moment der Klarheit, in dem man dem ewigen Kreislauf des Lebens entkommt.

Auch nach fast 500 Jahren hat Bruegels Bild nichts von seiner Aktualität verloren. Es ist eine messerscharfe Beobachtung der Extreme menschlichen Verhaltens, die uns zeigt, dass die Grundfragen des Lebens sich kaum geändert haben: Wie halten wir die Balance zwischen Exzess und Mäßigung? Und ist es uns überhaupt möglich, diesen Kreislauf zu durchbrechen?

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